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Mehr Bäume, mehr Regen

Der Klimawandel führt dazu, dass es trockener wird in Europa. Eine massive Aufforstung könnte nach Ansicht von Experten dem Trend entgegenwirken.

Ein Schäfer tränkt seine Herde während einer Dürre in Spanien.  (Foto: David Ramos/Getty Images)

Dürrejahre wie 2003, 2018 und 2019 könnten in Zukunft Normalität werden, warnen Klimaforscher. In Europa dürfte der Niederschlag vor allem im Süden abnehmen, was nicht nur für die dortige Landwirtschaft fatale Konsequenzen hätte. Forscher aus der Schweiz und aus Großbritannien haben nun ein Gegenmittel ausgemacht: einen gigantischen Regenspender.

Die Rede ist nicht von Maschinen, sondern von Bäumen. Eine massive Aufforstung auf ehemals landwirtschaftlichen Flächen könnte die Regenfälle wieder ankurbeln, schreiben die Wissenschaftler um den Klimaforscher Ronny Meier von der ETH Zürich im Fachblatt Nature Geoscience.

Das Phänomen ist bekannt vom Amazonas-Regenwald: Dieser versorgt sich selbst mit Regen. Luftströme vom Atlantik leiten Feuchtigkeit in das Amazonasgebiet und es regnet herab. Gäbe es keinen Wald, würde das meiste Wasser einfach abfließen. Die Bäume aber saugen mit ihren Wurzeln das Wasser aus dem Boden und entlassen einen Teil davon über ihre Blätter wieder in die Luft. Es bildet sich eine eigene feuchte Atmosphärenschicht – Flüsse in der Luft. Das Wasser steigt immer wieder in die Luftmassen zurück, die nach Westen bis an den Rand der Anden wandern und dort abregnen.

Meier und seine Kollegen haben in einem statistischen Modell getestet, ob sich eine größere Waldfläche auch in Europa positiv auf die Niederschlagsmenge auswirken könnte. Dafür haben sie Daten aus den Jahren 1986 bis 2015 ausgewertet und Gebiete, die eher landwirtschaftlich geprägt sind, mit Gebieten verglichen, die eher von Wäldern dominiert sind, aber sich in Topografie und Klima ähneln.

Deutschland könnte profitieren, wenn Frankreich aufforstet

14,4 Prozent der Fläche Europas halten Experten für geeignet zur Aufforstung, vor allem auf den britischen Inseln, in Frankreich, Portugal, Italien und Osteuropa. Würde sich die Waldfläche um insgesamt ein Fünftel ausdehnen, so die Autoren der Nature-Geoscience-Studie, sei im Sommer mit knapp acht Prozent mehr Regenfällen zu rechnen. Das wären im Schnitt 0,13 Millimeter pro Tag.

Allerdings würden sich diese nicht gleichmäßig über Europa verteilen. Während in Skandinavien sogar mit weniger Regenfällen zu rechnen seien, würden sie im Mittelmeerraum zunehmen – und dort sogar die klimabedingte zusätzliche Trockenheit überkompensieren. Das gilt vor allem für die küstennahen Gebiete West- und Südeuropas. Der Grund: Die Wälder fangen die vom Ozean kommenden feuchten Luftmassen regelrecht ab. Aber auch Deutschland und die Schweiz könnten zumindest in Teilen zu den Nutznießern gehören, etwa wenn Frankreich kräftig aufforstet und der Regen weiterwandert.

Mehr noch als im Sommer dürfte es im Winter regnen. Das erklären die Wissenschaftler damit, dass Wälder zur kalten Jahreszeit die Böden wärmen, während sie diese im Sommer abkühlen. Damit geben die Wälder im Winter feuchtwarme Luft in die Atmosphäre ab, die sich dort ausdehnt und abkühlt und zur Entstehung von Wolkentröpfchen beitragen kann.

Die Studie ist ein erster Fingerzeig. Um belastbare Aussagen zu gewinnen bräuchte es zusätzliche Klimamodelle, geben selbst die Autoren zu. “Bestätigen sich unsere Ergebnisse, dann wäre das ein noch stärkerer Anreiz insbesondere für die mediterranen Länder, ihre Wälder zu bewahren und neue zu schaffen”, sagt Meier.

Allerdings warnt er davor, Aufforstung als Allheilmittel zu sehen. “Aufforstung wird uns nicht vor dem Klimawandel schützen.” Zuallererst müssten die Treibhausgase drastisch sinken, danach könne man überlegen, wie sich der Klimawandel weiter abschwächen lasse – und dabei könne die Aufforstung helfen.

Von Benjamin von Brackel; entnommen aus: Süddeutsche Zeitung.